Wenn ich nicht weiss, wer ich bin, kann ich keine Menschen führen

In der anspruchsvollen Welt des Hotelmanagements kommt es darauf an, ein Team von vielfältig qualifizierten Mitarbeitenden zu orchestrieren, ähnlich wie ein Dirigent. Marc Aeberhard, Dozent für «Führung & Leadership» an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, zeigt auf, wie dies an der SHL gelehrt und erlebbar gemacht wird. Führung wird als zwischenmenschlicher Prozess vermittelt, der den Menschen und das Selbstverständnis in den Fokus stellt.

Ein Hotel zu bewirtschaften ist eine komplexe Angelegenheit. Nicht nur gilt es, un­­gezählte Tätigkeiten, meist unter angespannten Zeit­verhältnissen und häufig knappen Ressourcen, parallel zu bewältigen, sondern diese Tätigkeiten mit einem Team von oft ganz unterschiedlich qualifizierten Mit­arbeitenden zu schaffen. Vergleichbar mit einem grossen Orchester, gilt es, die ein­zelnen Protagonisten von Abwascher bis Reservationsleiterin so auszurichten und zu koordinieren, dass takt- und tongenau nicht Kakofonie, sondern Symphonie erschallt. Nicht ganz umsonst nennt man den Vorsteher eines Orchesters im Eng­lischen «Conductor», wörtlich übersetzt ein Leiter oder Führer. 

Ähnlich verhält es sich mit dem Führungsverständnis in einem Hotel: Es bedarf einer Leitung – einer Führung. Und je dynamischer ein Hotelbetrieb am Markt aufgestellt ist, umso bedeutender muss ein Leitungs- beziehungsweise Führungsanspruch manifestiert werden, um gesetzte Ziele in einem sich fortwährend wandelnden Kontext zu erreichen. 

Die Schlüsselrolle der Menschlichkeit 
Die Führungstätigkeit ist eine essenzielle Kompetenz eines Hotelmanagers. Folglich wird der Thematik «Führung & Leadership» an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern ein eigenes Modul ge­­widmet. Grundlage des Führungsverständ­nisses stellt die hergeleitete Definition von Führung dar: «Führung ist ein zwischenmenschlicher Prozess, in dem eine legi­timierte Person andere Menschen dazu anhält, ein definiertes Ziel innerhalb ge­­gebener Parameter zu erreichen. Dabei ist ein Ziel innerhalb eines Zeit- und Raumhorizontes unter Berücksichtigung von personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen zu erreichen. Die Parameter definieren zudem den kulturellen, sozialen, geografischen, technischen und infrastrukturellen Handlungsrahmen.»

Essenziell ist hierbei hervorzuheben, dass es sich bei Führung immerzu um einen zwischenmenschlichen Prozess handelt. Ungeachtet moderner Technologie und aktueller Diskussionen. Rund um die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, Digitalisierung oder fortschreitender Automatisierung – ist und bleibt das Hotellerie- und Gastronomie-Business ultimativ ein «People’s Business». Im Mittelpunkt steht immer der Mensch mit seinen Bedürfnissen, Erwartungen, Freuden, aber auch Ängsten. Immer! 

Der zentrale Fokus: Menschen
Der Mensch, seine Würde, sein Wesen und sein soziales Verhalten sind daher der zentrale Fokuspunkt im Führungsverständnis der SHL. So gilt, dass im Rahmen des Unterrichts zunächst das eigene «Ich» reflektiert wird, bevor Rückschlüsse auf andere Menschen gezogen werden können. Die stetige iterative und holistische Auseinandersetzung mit anderen Menschen im multidimensionalen Umsystem lässt folglich erkennen, dass Führung nicht eine starre Anwendung eines schraubstock­­gefertigten Schemas sein kann. Sie ist vielmehr die virtuose, situative Anwendung von teils erlernten, teils empathischen und teils intuitiven Tools. 

Wissen und Erlebnis 
Im Lehr- und Lernmodul «Führung & Leadership» an der SHL ist daher nicht allein die Vermittlung von theoretischem Lehrbuchwissen wichtig. Die aktive Anwendung, Überprüfung und Anpassung von erlerntem Wissen und dessen Umwandlung von Erlebnis zu Erfahrung, von der reaktivkonsumierenden Lektion im Klassenzimmer bis zur proaktiv-agierenden Evakuation von brennenden Gebäuden wird realisiert. Ein Beispiel: Im Rahmen eines Thementages auf dem Gelände des Übungszentrum der Feuerwehren und des Zivilschutzes der Innerschweiz in Seewen im Kanton Schwyz werden Notfallszenarien von Feuerausbruch, Elementarschaden bis hin zum Betriebsunfall simuliert. Die SHL-Studierenden und angehenden Führungspersönlichkeiten trainieren diese Extremsituationen, um die Lage richtig einschätzen, richtig reagieren und ihrem Team richtige Anweisungen geben zu können. Kurz: Sie werden dazu befähigt, eine Partitur zu lesen, sich auf das Orchester zu fokussieren und eine Symphonie erfolgreich aufzuführen.

 

Marc Aeberhard …
… ist ein erfahrener Hotelier mit über 25 Jahren internationaler Erfahrung in den Bereichen Hoteleröffnungen, -Management und Sanierung im Luxussegment. Als Gründer von Luxury Hotel & Spa Management Ltd. in Zürich hat er ein beeindruckendes globales Netzwerk in der Hotellerie aufgebaut. Er ist als einer von vier Leadauditoren von HotellerieSuisse für die Überprüfung von Qualitäts- und Klassifi­kationsstandards von ca. 570 Hotels in der Schweiz mitverantwortlich. Seit 2019 ist er als Fachdozent «Führung & Leadership» an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern tätig. Neben anderen ­weltweiten Mandaten nimmt er ­Einsitz im Inter­national Advisory Board der SHL. 

Zurück zu den Artikeln

Hinterlasse einen Kommentar