Wie Sie mit Preis-Strategie Ihren Gewinn steigern

Hotelfinanzexperte Dr. Christoph Nussbaumer über Power Pricing in der Hotellerie

Christoph Nussbaumer ist Wirtschaftswissenschaftler und führt seit Jahren eine Strategieberatung mit Fokus Hotellerie. Er gilt als einer der besten ­Hotelfinanzexperten im deutschsprachigen Raum. Jetzt hat der gebürtige ­Österreicher ein neues Buch publiziert: «Power Pricing in der Hotellerie.» Hier ein Auszug aus dem Kapitel «Den Stammgästen etwas Gutes tun».


Hotels leben von Stammgästen, insbesondere die Ferienhotellerie ist ohne Stammgäste kaum vorstellbar. Fast alle Hoteliers sind stolz auf einen hohen Stammgastanteil. Stammgäste werden geliebt, zumindest die meisten. Die persönliche Beziehung zu den Stammgästen ist eine herausragende Stärke von Familienbetrieben und tief verankert in der Unternehmenskultur. Einen Stammgast zu verlieren, weckt Verlustaversionen, ihn zu halten, ist daher oberstes Gebot. Diese Stammgastfixierung ist verständlich, aber nicht unproblematisch. Wenn wir alles tun, um den Stammgästen zu gefallen, dann verhindern wir auch Neuerungen, denn der Stammgast ist deshalb im Hotel, weil es ihm so gefällt, wie es ist, sonst würde er ja nicht kommen.

Mit den Stammgästen alt werden?

Ein Hotel, welches sich voll auf die Stammgäste fokussiert, läuft Gefahr, mit den Stammgästen alt zu werden. Es mag nun paradox anmuten, wenn ich die Hypothese aufstelle, dass es gar nicht so gut ist, in den Top-Zeiten ausschliesslich Stammgäste zu verwöhnen. Wie oft wollte ein neuer Gast über Weihnachten buchen, und wie oft ha­ben Sie ihm absagen müssen, da die Stammgäste schon alle Zimmer reserviert hatten? Geben Sie auch neuen Gästen die Chance, zu Top-Zeiten zu kommen, damit Sie neue Stammgäste gewinnen. Achten Sie auf eine gute Gästedurchmischung, auch hinsichtlich der Altersstruktur, die zur Positionierung Ihres Hotelbetriebes passt. Signalisieren Sie Ihren Gästen die Knappheit Ihres Angebotes zu bestimmten Zeiten. Nun werden Sie vielleicht einwenden, dass Sie das ohnehin tun. Was soll man machen, wenn die Stammgäste so früh bu­­chen und neuen Gästen die Zimmer wegbuchen? Vielleicht liegt es am zu günsti­-gen Preis, an den zu günstigen Bedingungen für Stammgäste, die manchmal sen­­sationelle Rabatte und Sonderkonditionen ha­ben, die schon vor 20 Jahren von den Seniorchefs gewährt worden sind.

Zu niedrige Preise für die ­Stammgäste?

Stammgäste sind Meinungsschwergewich­te, von denen man lieber keine Kritik ernten möchte, schon gar nicht wegen einer vielleicht etwas zu kecken Preisanpassung. Lieber die Preis-Latte etwas niedriger halten, damit nur keine Kritik aufkommt. Die Angst vor der Stammgastkritik wegen zu hoher Preise ist allgegenwärtig und torpediert nicht nur die Preisfindung, sondern auch die Preisdurchsetzung. Man mag die Stammgäste und möchte ihnen etwas Gutes tun, und sei es einfach derselbe Preis für den Urlaub im nächsten Jahr, obwohl die Inflation eine Preisanpassung um drei Prozent erfordert. In einem solchen Mo­­ment rächt sich auch die meistens viel zu späte Beschäftigung mit den Preisen für die nächste Saison. Neben der jährlichen Preisanpassung, die aufgrund der Infla­-tion für jeden Hotelbetrieb überlebenswichtig ist, sind Investitionen in das Unternehmen wesentliche strategische Effekte, die einen starken Einfluss auf die Preis­politik haben sollten.


Mehrpreis nach Investitionen?

Investitionen in den Gästenutzen sind er­­regende Momente eines jeden Hoteliers. Man stellt sich die freudigen Gesichter der Stammgäste vor, wenn sie die neuen Zimmer betreten oder wenn sie den neuen Infinity-Pool und den Panorama-Ruhebereich sehen. Die Schattenseite ist der Mehrpreis, den man für Investitionen verlangen sollte bzw. verlangen muss. Welchen Preis sollen wir verlangen? Welcher Preis ist für die Stammgäste akzeptabel? Und genau an diesem Punkt tritt das Meinungsschwergewicht Stammgast in Aktion. Man stellt sich ein paar Stammgäste bildlich vor, wie sie auf die neuen Preise reagieren werden. Herr Meier hat doch immer gesagt, dass er keinen Infinity-Pool braucht. Auch Frau Müller hat gesagt, dass ihr Lieblingszimmer in Ordnung ist. Was sollen wir tun, wenn die Stammgäste die neuen Preise gar nicht grossartig finden? Die manchmal zu starke Stammgastfixierung führt mitunter zu sonderbaren Preisentscheidungen.


Den Stammgästen etwa Gutes tun

Ein Hotelier investierte einen hohen Mil­lionenbetrag in die Attraktivierung seines Wellnessbereiches. Anstatt die Preise an­­gemessen anzupassen, verzichtete der Hotelier darauf mit dem Argument, den Stammgästen etwas Gutes tun zu wollen und gleichzeitig die Auslastung zu steigern. Er wolle später – in den Folgejahren – den Preis etwas stärker anziehen. Er meinte, dass seine Stammgäste über eine Preiserhöhung verärgert sein würden. Der Hotelier argumentierte weiter, er habe dies bei Investitionen immer so gemacht und sei damit gut gefahren. Nun hatte der Be­­trieb eine relativ gute Bilanz, doch im Jahr darauf konnte man die Konsequenz der Entscheidung klar an den roten Zahlen ablesen. Dieses Beispiel ist kein Einzelfall. Wir erleben immer wieder Anhänger solcher Glaubenssätze. Meiner Meinung nach ist ein Verzicht auf Preisanpassungen bei verändertem Gästenutzen eine Fehlentscheidung. Wir empfehlen, einen erhöhten Gästenutzen grundsätzlich in den Preisen abzubilden, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gäste den Mehrnutzen geniessen können.


Für wenig Geld viel Wert?

Grössere Neuerungen im Lieblingshotel bedeuten für alle Gäste regelmässig eine Neubewertung. Wollen die Stammgäste diese Veränderung? Und wenn ja, sind sie bereit, den höheren Preis zu bezahlen? Oder nehmen sie die Veränderung zum Anlass, einmal ein anderes Hotel oder eine andere Region zu besuchen? Die Investition kann also dazu führen, dass Stammgäste verloren und neue Gäste gewonnen werden. Interessant ist die regelmässige Überschätzung des möglichen Verlustes der Stammgäste und die Unterschätzung des möglichen Gewinns neuer Gäste. Wenn nun Investitionen durchgeführt und die Preise nicht angepasst werden, was passiert dann in den Köpfen der Gäste? Wie reagieren die Stammgäste? Einige werden vielleicht denken, die Erneuerung der Wellnessanlage wäre gar nicht notwendig gewesen. Da sich die Preise in diesem Fall nicht oder nur wenig verändert haben, ist das für diese Gäste gerne willkommen. Gross kann die Investition auch nicht gewesen sein, denn sonst hätte der Hotelier die Preise anheben müssen, mag vielleicht der eine oder andere Gast denken. Stammgäste könnten aber auch darüber nach­denken, ob die früheren Preise zu hoch waren, wenn sie bei einem deutlich höheren Nutzen einen bestimmten Preis be­­zahlen und beim letzten Urlaub fast denselben Preis bezahlt haben. Stammgäste hingegen, für die die Investitionen sehr willkommen sind, würden wahrscheinlich ohne Schmerzen einen höheren Preis be­­zahlen. Das bedeutet, wir verzichten auf die Preisbereitschaft eines Teils unserer Gäste und somit auf Umsatz und Cashflow, den wir zur Rückzahlung der Kredite nutzen könnten. Wohlgemerkt, wenn ein Gast für einen Nutzen gerne den verlangten Preis bezahlt, dann ist jeder Preis, der darunter liegt, ein verlorener Umsatz. Das Ge­­setz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.


Alte Gäste verlieren, neue ­gewinnen

Ein zu niedrig angesetzter Preis hat zwar den vermeintlichen Vorteil, einige Stamm­gäste nicht zu verärgern oder nicht zu verlieren. Der Nachteil hingegen ist viel gravierender. Einerseits verzichten wir auf die Preisbereitschaft von Stammgästen, die bereit sind, aufgrund eines höheren Nutzens höhere Preise zu bezahlen, und andererseits verwirren wir neue Gäste mit einem zu niedrigen Preis. Sie können aufgrund des zu niedrigen Preises den Nut­zen, den sie geniessen könnten, nicht richtig einschätzen. Sie werden vielleicht wegen des zu niedrigen Preises nicht buchen, da ihre Qualitätserwartung für ihren Urlaub hö­­her ist. Insgesamt verlieren wir mit ei­nem zu niedrig angesetzten Preis Um­ satz und auch neue Gäste. Sie können Ihre Stammgäste begeistern; geben Sie ihnen Aufmerksamkeit, tun Sie Gutes und verwöhnen Sie sie, aber machen Sie sich keine Illusionen bei einer grösseren Veränderung Ihres Leistungsangebotes. Sie werden Gäs­te verlieren und andere Gäste dafür gewinnen. ­Lassen Sie die Gäste ziehen, die Ihren Weg nicht mehr mitgehen wollen, und versuchen Sie nicht, diese Gäste durch Preiszugeständnisse zu halten.




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