«Die Beziehung in der Küche muss stimmen»

Alessandro Boleso, Spitzenkoch in den Restaurants «Le Relais» und «La Rucola» im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano schwört in der Küche auf guten Teamgeist. Die eingespielte Brigade verbringt mitunter gemeinsame Ferien – und alle packen im hoteleigenen Kräutergarten mit an.

Seit Alessandro Boleso für das Gourmetrestaurant Le Relais sowie das Casual-Dining-Restaurant La Rucola im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano kocht, hat sich sein Stil verändert. «In den letzten fünf Jahren habe ich mich vermehrt auf Details und die Präsen-tation der Gerichte fokussiert. Auch richte ich auf  auserwähltem Geschirr an, achte auf verschiedene Texturen und dekoriere gerne mit Blüten», so der  Spitzenkoch. Die Verfeinerung seiner Arbeit brachte ihm 15 GaultMillau-Punkte ein.

Eigene Kräuter verfeinern die Gerichte im «Le Relais» mit einzigartigen Geschmacksnoten. Im Kräuter-garten des Grandhotels gedeihen zwischen 40 und  60 verschiedene Kräuter. Jeweils zur Osterzeit pflanzen Boleso und Team verschieden duftende Salbei-arten und Zitronenmelissen. Borretsch mit seinen hübschen blauen, essbaren Blüten wird gesät und die Zitrusbäumchen dürfen wieder an die frische Luft. Eine Limettensorte hat es Boleso besonders angetan: Drückt man deren kleine, gurkenförmige Früchte leicht zusammen, gibt sie eine Art Limettenkaviar preis. «Ich freue mich schon auf die Kreation aus Jakobsmuscheln und Mönchsbart. Der Limettenkaviar gibt ihr einen einzigartigen Geschmack.» Nicht nur der Chefkoch mag den Kräutergarten des Grandhotels. Auch ein Grossteil seines Teams verbringt die Pausen dort und hilft mit.

Team seit vier Jahren gemeinsam unterwegs
Nicht nur in den Pausen, auch in der Freizeit verbringt die 16-köpfige Brigade viel Zeit gemeinsam. «Ob im Ausgang, beim Wandern oder Jagen – ja, sogar Ferien verbringen wir zusammen», erzählt der 39-Jährige. Der Italiener ist überzeugt davon, dass die Beziehung zwischen den Menschen stimmen muss, damit es in der Küche perfekt klappt. «Ein guter Chef schafft  gute Mitarbeiter.» Fachkräftemangel kennt er nicht, Bolesos Team besteht seit vier Jahren. Die meisten  seiner Mitarbeiter wirkten bereits in der «Villa D’Este» in Cernobbio am Comersee mit ihm.

Heute arbeitet Alessandro Boleso gleich mit zwei Sous-Chefs. «Meine rechte und meine linke Hand», nennt er Manuel Viviani und Junio Carlo Pini. Wäh-rend sich Erstgenannter hauptsächlich um Bankette und Events kümmert, zeichnet Pini für die Menüs und das mentale Wohlbefinden des Teams verantwortlich. Beides ist wichtig. Durchschnittlich steht die Brigade pro Tag für rund 100 Mitarbeiteressen am Herd, bekocht 35 Gäste im Gourmetlokal und etwa 80 Per-sonen im «La Rucola». Dazu kommen gerne einmal bis zu 180 weitere Gäste von Banketten, Hochzeiten und Events. 

In der Hauptsaison sind die Tische in der «Villa Casta-gnola» deshalb oft für Stammgäste reserviert. Da das zweite Gourmetlokal des Hotels, das «Arté al Lago» direkt gegenüber der Strasse am See, seit der Pandemie mit zusätzlichen Räumlichkeiten aufwartet, finden Gäste jedoch dort meist einen freien Tisch. Alessandro Boleso steht in gutem Kontakt mit Frank Oertle, der dort auf dem Niveau von 16 GaultMillau-Punkten kocht. Als Konkurrenten sieht er ihn nicht. Ihre Stile seien total verschieden.

Edles Rindfleisch und dicker Zander aus dem Tessin
Die Hauptkarte im «Le Relais» wechselt der Chefkoch einmal pro Saison aus. Weil er seine Degustationsmenüs teils zweimal monatlich austauscht, kann er jeweils flexibel auf die Verfügbarkeit der Produkte seiner kleinen lokalen Lieferanten reagieren. «Tessiner Fleisch von Wagyu-, Angus- und Gallowayrindern ist nur beschränkt erhältlich. Dasselbe gilt für grosse Zander aus dem Lago Maggiore. Deshalb verwende ich diese Produkte ausschliesslich für die Degustationsmenüs», erläutert Boleso.

Unter den Degustationsmenüs befindet sich immer auch ein veganes. Der Chefkoch versucht, in den meisten seiner Gerichte Milchprodukte zu reduzieren. So hat er den Reis für den Risotto mit Topinambur und Kaffee in Öl statt Butter angeschwitzt. Die Sämigkeit verleiht diesem Gericht eine Mousse aus Topinambur und die spezielle Konsistenz des Acquerello-Reis, der sieben Jahre lang gelagert wurde. 

Überhaupt spielen Risotti eine spezielle Rolle in seiner Küche. Mit drei verschiedenen Sorten arbeitet der Spitzenkoch. Das siebenjährige Spitzenprodukt ver-wendet er in seinen Degustationsmenüs im Gourmetrestaurant Le Relais. Der Tessiner Riso Terreni alla Maggia kommt im «La Rucola» auf den Teller. Und für Bankette und ähnliche Grossanlässe verwendet Boleso den biologisch angebauten Riserva Drovanti 1824. Dieser bleibt lange körnig.

Für Furore sorgte einst ein Missverständnis seiner Brigade. Diese bereitete zwei verschiedene Risotti zu. Anstatt eine Kreation den Mitarbeitern zum Mittag-essen zu servieren, kreierte Boleso damit einen zwei-farbigen Teller: Sorgfältig darauf bedacht, dass sich der von frischen Erbsen grün gefärbte Risotto nicht mit dem weissen Risotto mit edlem Parmesan vermischte. «Auch heute noch fragen Gäste danach», berichtet der Koch. Obwohl das Gericht schon lange nicht mehr auf der Karte zu finden ist, bereitet er es auf Wunsch gerne zu. Mit viel Liebe zum Detail angerichtet, versteht sich.

www.villacastagnola.com

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